Schöner Drogen mit dem kleinen Arschloch
(aus "Schöner
Leben mit dem kleinen Arschloch" von Walter Moers)
Wie die populärsten Drogen wirken; wie man ihre Wirkung mit billgsten
Mitteln simuliert; was man nach Genuß tun kann und welche Musik man dabei
hört.
Kokain
Kokain, auch Fickpuder genannt, gilt als die Gesellschaftsdroge Nr.1. Sie
suggeriert dem Konsumenten, ein extrem gutaussehender, höchst eloquenter
Nobelpreispträger mit der sexuellen Anziehungskraft eines schwarzen Loches zu
sein. Auf jemanden, der kein Kokain genommen hat, wirkt das eher wie ein
exkommunizierter Trappistenmönch, der weiße Puderreste an den Nasenlöchern hat
und sich um Kopf und Kragen quasselt.
Kokain steigert das
Mitteilungsbedürfnis, lähmt aber in gleichen Maße die Selbstkritik, was dazu
führt, daß man jeden chemischen Kurzschluß im Kleinhirn für bares Geld hält und
meint, daß er umgehend einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt werden muß.
Kokaingenuß ist die Hauptursache für Rap-Lyrik und die Gesamtwerke von Rainer
Werner Fassbinder und Hermann Göring.
Für den Kokaingenuß in der
Öffentlichkeit gelten ganz besondere Umgangsformen. So sollte Sie es vermeiden,
wenn Sie sich euf einer wilden Party mit anderen Kokainisten befinden, dort eine
ein Meter lange Koksstraße auf den Tisch zu legen und zu verkünden:
Gehen
Sie lieber aufs Klo. Aber auch dabei ist Vorsicht geboten! Sie können nicht 15
Minuten lang die einzige Toilette des Hauses blockieren, dabei Geräusche wie ein
Industriestaubsauger machen und glauben, Sie kämen ungeschoren davon. Führen Sie
deshalb immer einige Briefchen mit ungelöchtem Kalk mit sich, die Sie nachher
großzügig an Ihre Freunde verteilen können.
Sex auf Kokain ist in der Tat
eine Angelegenheit höherer Vergnügungsordnung. Dazu nur eines: Falls Sie jemals
das Gerücht gehört haben, daß ein männliches Glied durch Kokaingenuß so hart
werden kann, daß man damit einen gefrorenen Acker umpflügen kann: DAS STIMMT!
Wie man die Wirkung von Kokain simuliert
Vier Tütchen Nescafe mit einer Tafel Schokolade aufkochen, auf Ex
trinken.
Aktivitäten:
Freeclimbing, Volksreden, Zehnkampf
Musik:
Richard Wagner "Walkürenritt"
LSD
LSD ist definitiv KEINE Gesellschaftsdroge. Menschen unter Wirkung von LSD
neigen zu Introvertiertheit, Absencen, trinken wenig Alkohol und spielen ungern
Skat. Sie sind vielmehr mit universellen Fragen und existenzphilosophischen
Problemen oberster Ordnung beschäftigt, dabei läßt sich nun mal schlecht
kegeln.
Unter LSD sollte man auch sportliche Aktivitäten wie Völkerball oder
Formationstanz meiden und sich außerdem von öffentlichen Auftritten fernhalten
(Büttenreden, Kanzelpredigen). Seien Sie unter der Wirkung dieser Droge auf
alles gefaßt! Von kleinen Männern, die auf ihrem Kopf eine Kathedrale errichten,
sollten Sie sich nicht irritieren lassen.
Und
wenn Sie in den Spiegel sehen und dort Charles Manson erblicken, schenken Sie
dem einfach keine Beachtung. Sie sind nur auf "Horror". Das geht vorbei, in
zirka 10 bis 48 Stunden. Entspannen Sie sich! Legen Sie einfach eine Platte auf
und "fühlen" Sie ein wenig Musik. Das geht, auf LSD geht alles. Fühlen Sie, wie
die Harmonien Ihren Körper umspülen, durch Ihre Gehörgänge in Ihr Gehirn
kriechen und sich dort in kleine fette Würmer mit dem Gesicht von Charles Manson
verwandeln, denn Sie sind ja immer noch auf "Horror", was? Lassen Sie ein paar
andere LSD Konsumenten an Ihren paranoiden Wahnvorstellungen teilhaben, das geht
ganz leicht!
Erzeugen Sie irritierende Geräuche (etwa mit dem Fingernagel
unter der Tischplatte), murmeln Sie mit verstellter Stimme Sätze bedrohlichen
Inhalts, stellen Sie sich doof, wenn man Sie fragt, ob Sie etwas gehört haben.
Oder schildern Sie einfach Ihre eigenen Halluzinationen und erzählen Sie von
Ihrem Kumpel, der vom gleichen Stoff dermaßen draufgekommen ist, daß er jetzt in
einer Gummizelle die Spinnnen an der Wand zählt. Das reicht manchmal schon, um
einen eben sich noch im Einklang mit dem Universum befindlichen LSD Astronauten
in ein kreischendes Nervenwrack zu verwandeln.
Wie man die Wirkung von LSD simuliert:
15 Minuten hyperventilieren und zwei Gauloises gleichzeitig auf Lunge
rauchen. Hinlegen.
Aktivitäten:
Liegenbleiben. Eventuell onanieren.
Musik:
Walgesänge
Stechapfel
Wenn Sie Wert darauf legen sollten, sich einmal zu fühlen wie der
Hauptdarsteller in einem Hieronymus-Bosch-Gemälde, dann brauen Sie sich einfach
einen Stechapfeltee.
Diese nicht zu unterschätzende Naturdroge wächst in jedem besseren deutschen
Gehölz und fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetzt ! Vorsicht
allerdings bei der Dosierung ! Es gilt die Faustregel: Wenn ungefähr eine Stunde
nach der Einnahme der Droge die gesamte Belegschaft der "Versuchung des heiligen
Antonius" auf einen Sprung vorbeikommt, war die Dosierung richtig; wenn Sie mit
Schaum vor dem Mund an eine Tragbahre geschnallt zum Notarztwagen getragen
werden, zu hoch. In beiden Fällen werden Sie eine interessante Zeit haben - wenn
Sie es interessant finden zu wissen, wie sich ein klinischer Paranoiker auf der
Höhe eines schizoiden Schubes fühlt. Die schlimmsten Halluzinationen klingen
schon nach einigen Tagen ab.
Wie man die Wirkung von Stechapfel simuliert:
Mit einer verdorbenen Fischkonserve lassen sich sehr ähnliche Resultate
erzielen.
Aktivitäten:
Besenritte, schwarze Messen
Musik:
Carl Orff, Black Sabath
Pilze
Die mildesten Ergebnisse erzielen Sie mit Champions, die wildesten mit
Fliegenpilzen. Etwa in der Mitte liegen die Psilozybin-Pilze, kleine
unscheinbare Gesellen mit manchmal magischer Wirkung. Doch keine Angst - wenn
LSD der Porsche unter den bewußtseinserweitertenden Drogen ist, dann ist
Psilozybin das Fahrrad.
Das
bedeutet, die Grenze der Wahrnehmungen werden nie so drastisch erweitert, daß
man glaubt, man habe fünf Lippen - drei Lippen sind das Höchste.
Falls Sie
die Pilze richtig dosiert haben, werden Sie bald eine nie gekannte Liebe für
alle Lebensformen spüren: für Menschen, für Tiere, für Pflanzen und besonders
für Pilze.
Wie man die Wirkung von Pilzen simuliert:
Wie LSD, aber mit Leichtzigaretten.
Aktivitäten:
Pilze sammeln
Musik:
Beatles
XTC
XTC wirkt ungefähr so wie alle bekannten Rauschdrogen zusammen, entsprechend
wird es auch hergestellt: Man schüttet zu gleichen Anteilen Heroin, Koks,
Benzedrin, LSD und eine Flasche Southern Comfort in einen Eimer, dann wird
kräftig gerührt. Ähnlich umfassend ist auch der Kater: Sie können noch nach 3
Tagen Ihre Leber brummen hören.
XTC
bringt die Hurra-Atome im Gehirn zur Schwingung. Man entwickelt
Allmachtsphantasien und hält sich für das Zentralsexualorgan des Universums.
Nehmen Sie XTC nur in Gesellschaft möglichst vieler Sexualpartner ein, das
Geschlecht oder die Tierart spielt dabei keine Rolle.
Sollten Sie den Fehler
gemacht haben, die Droge alleine eingenommen zu haben, gibt es nur eine
Empfehlung: Ziehen Sie sich nackt aus, laufen Sie in den Park, und vögeln Sie
einen Baum.
Wie man die Wirkung von XTC simuliert:
Schütten Sie zu gleichen Anteilen Heroin, Koks, Benzedrin, LSD, ein Röhrchen
Valium und eine Flasche Southern Comfort in einen Eimer, kräftig rühren.
Aktivitäten:
Tanzen, ficken. Oder beim Tanzen ficken.
Musik:
Zu laut.
Haschisch
Haschisch ist keine Droge, sondern ein homöopathisches Mittel, das einer
Dämonisierungskampagne zum Opfer gefallen ist. Unter Haschischeinfluß dehnt sich
das Raum-Zeit-Kontinuum um 500 Prozent, d.h., man kann bei konsequentem
Haschischkonsum 400 Jahre alt werden, mehr als bei jeder anderen Droge.
Wie man die Wirkung von Haschisch simuliert:
Schwierig
Aktivitäten:
Mehr Haschisch rauchen.
Muisk:
Ja, gerne.
Heroin
Sind Sie lebensmüde, aber zu feige zum Sterben? Dann dürfte Heroin genau das
richtige für Sie sein. Ein Herionkick gibt Ihnen all die Liebe, die Sie von
Ihrer Stiefmutter nicht bekommen haben. Das ist wie während eines multiplen
Orgasmusses zu erfahren, daß man den Nobelpreis verliehen bekommt. Sie müssen
als Gegenleistung nur gelegentlich ein paar gelähmte alte Damen niederstrecken
und ausrauben oder Ihr Geschlecht in einer übelbeleumdeten Bahnhofsgegend einer
Meute von Randexistenzen feilbieten.
Wenn Ihnen das zu anstrengend ist,
können Sie ja ein paar Heroinverherrlichungsplatten aufnehmen, die gehen immer
wie geschnitten Brot. Reich, fett und nach einer Frischzellenkur von der Droge
geheilt, können Sie dann eine Heroinverdammungsschallplatte aufnehmen, die
laufen noch besser und werden kostenlos vom Gesundheitsministerium mit farbigen
Broschüren unterstützt.
Wie man die Wirkung von Heroin simuliert:
Lösen Sie eine Familienpackung Baldrian in einer Flasche Pernod auf, trinken
Sie alles zügig mit dem Strohhalm aus und schlagen Sie sich die Flasche über den
Schädel. Das wirkt zwar nicht ganz so wie Heroin, macht dafür aber auch nicht
süchtig.
Crack
Crack-Atome gelten als die Roten Khmer unter den Drogenmolekülen: Sie
dringen überfallartig ins Gehirn ein und killen dort alles, was sich bewegt. Das
überträgt sich auf den Konsumenten: Man möchte am liebsten irgendwo eindringen
und dort alles killen, was sich bewegt.
Wie man die Wirkung von Crack simuliert:
Eine Tube Pattex in einer Flasche Domestos auflösen, intravenös
injezieren.
Aktivitäten:
Särreattentate Bandenkriege
Musik:
Möglichst von Negern.
Opium
Typische Chinesendroge, konnte sich auf dem internationalen Markt nie
richtig durschsetzen, genau wie Hundeessen, Studentenmassaker und Mao
Tse-tung.
Wie man die Wirkung von Opium simuliert:
Wie Heroin.
Aktivitäten:
Keine
Muisk:
Egal
Alkohol
Alkoholiker sind die Handwerker unter den Drogenabhängigen. Der
Alkoholrausch ist der einzige Rausch, den man schichtweise hochziehen kann wie
eine Backsteinmauer. Einmal errichtet, bildet er einen soliden Schutzwall gegen
das Elend der Welt, gegen Schmerz, Not und Frauenblusen mit Männernamen. Alkohol
beseitigt außerdem nicht nur unnötige Hemmungen und moralische Bedenken, er
schränkt auch noch die Schuldfähigkeit ein: Schlachten Sie ruhig Ihre ganze
Familie mit dem Schlagbohrer ab, häuten Sie einen Polizisten mit einem Käsehobel
oder zünden Sie ein Asylantenheim an - aber genehmigen Sie sich vorher um Gottes
Willen eine Flasche Reisschnaps, dann kommen Sie mit ein paar Monaten auf
Bewährung davon.
Wie man billig Alkohol herstellt:
Eine Badewanne voll Weintrauben mit 5 Eimern Zucker einen Monat lang gären
lassen. Trinken.
Aktivitäten:
Lallen, kotzen.
Musik:
Sonstiges:
Für Valium, Captagon, Valeron, Codein und ähnliches pharmazeutische
Erzeugnisse gilt, was für alle halbwegs legal erwerbbaren Drogen gilt: Finger
weg, das ist was für Spießer. Wie kann etwas Spaß machen, das der Hausarzt
verschreibt? Es sei denn, Sie klauen Pillen. Das ist dann wieder cool.
Der Flashback
Ein Flashback ist ein sehr rahres Phänomen, das nach dem Konsum von LSD
auftreten kann: Tage, Wochen, ja Monate nach Genuß der Droge kommt die
halluzinogene Wirkung mit voller Wucht zurück. Das kann, je nachdem, eine
willkommene Gratisüberraschung oder eine Geisterbahnfahrt werden, kommt darauf
an, wo Sie sich gerade befinden.
Sollten Sie der Ehrengast einer
Drogenverdammungsveranstaltung sein oder ein Passagierflugzeug durch ein
Andengewitter steuern, dann verscuchen Sie, Ruhe zu bewahren. Oder besser:
drehen Sie einfach durch und schreien Sie nach dem Notarzt.
Text und Zeichnungen von Walter Moers